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Lebensretter Interferon

Lebensretter Interferon

Erst machte es Schlagzeilen bei der Krebstherapie für Menschen, jetzt setzt sich Interferon auch in der Tiermedizin immer mehr durch. Lesen Sie, was hinter dem Medikament steckt. 

Seit über 20 Jahren schon wird Interferon in der Humanmedizin erfolgreich zur Behandlung schwerer Viruserkrankungen eingesetzt. Ein Meilenstein gelang japanischen Wissenschaftlern im Jahre 1993: Sie konnten das Interferon-Gen isolieren und schufen damit die Vorrausetzungen für die Herstellung eines Interferon-Präparats für Tiere. Virbac hat das erste Interferon-Präparat spziell für die Tiermedizin entwickelt. Das Medikament verzeichnet seit zwei Jahren viel versprechende Heilungserfolge von Viruserkrankungen von Hunden und Katzen. Wir sprachen mit Dr. Uwe Schultheiss von der Firma Virbac über den Durchbruch der Interferone in der Tiermedizin, den aktuellen Forschungsstand sowie über spezielle Einsatzmöglichkeiten von Interferon bei Hunden.

Interview mit Dr. Uwe Schultheiss von der Firma Virbac

Unser Hund: Was genau versteht man unter dem Protein Interferon und einem Interferon-Präparat?

Dr. Schultheiss: Interferone sind köpereigene Eiweiße, die gesunde Zellen zum Aufbau von spezifischen Enzymen veranlassen. Diese Enzyme aktivieren körpereigene Abwehrmechanismen und hemmen die Vermehrung von Viren im Körper. Damit gehört Interferon zur natürlichen Abwehr und schützt gesunde Zellen vor auftretenden Viruserkrankungen. Doch häufig reicht das natürlich hergestellte Interferon im Körper nicht aus. Lange Jahre begrenzten die hohen Herstellungskosten die Forschungsarbeit in Sachen Interferon. Erst in den 80er-Jahren gelang es, diesen Stoff in größeren Mengen herzustellen und er konnte sehr erfolgreich bei der Behandlung schwerer Krankheiten wie Hepatits B und C, Leukämie und Multipler Sklerose eingesetzt werden.


Unser Hund: Wenn nun einem Hund Inteferon gespritzt wird, wie verhalten sich natürliches Interferon und Interferon-Präparat zueinander?

Dr. Schultheiss: Es gibt zwischen natürlichem Interferon und dem Interferon-Präparat keinen großen Unterschied. Auch wenn es sich um eine felines (für Katzen) Interferon handelt, ist es sehr gut für die Anwendung bei Hunden geeignet, weil es einen sehr hohen Deckungsgrad aufweist. Aus diesem Grund wurde das Interferon-Präparat auch speziell für die Behandlung der Parvovirose des Hundes zugelassen.


Unser Hund: Wie Sie angedeutet haben, wirkt Interferon vor allem gegen Erkrankungen, die den Hund sein Leben kosten können. Wann setzt der Tierarzt Interferon ein?

Dr. Schultheiss: Das Wirkungsspektrum von Interferon ist breit gefächert. Zum einen kann es sich gegen Viren oder Krebszellen richten, zum anderen unterstützt es das Immnsystem. Vor allem die Parvovirose und die Staupe sind für den Hund meist tödlich. Der schnelle Einsatz eines antiviralen Mittels ist in solchen Fällen lebensrettend. Zur Behandlung der Parvovirose ist Interferon heutzutage nicht mehr zu entbehren. Von besonderer Bedeutung ist der frühzeitige Einsatz, der die Überlebenschance um das Vierfache erhöht. Hierbei wirkt das Interferon nicht direkt gegen das Virus, sondern hemmt die Vermehrung von Viren im Körper des Tieres. Die immunsstimulierende Wirkung von Interferon unterstützt den Patienten im weiteren Verlauf der Heilung und bewirkt eine schnellere Genesung. Wie wir alle wissen, hilft eine gute Immunstimulation, dem gesunden Organismus vital zu bleiben, und senkt die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung.


Unser Hund: Während das Interferon-Präparat also auch das Immunsystem des Hundes unterstützt, entfaltet es vor allem sein Wirkungspotenzial in der Behandlung von Viruserkrankungen. Bei welchen genau?

Dr. Schultheiss: Sehr gute Behandlungsmöglichkeiten ergeben sich z.B. bei Erkrankungen wie der Parvovirose. Von dieser meist tödlich verlaufenden Infektionskrankheit sind vor allem Welpen betroffen, deren Immunsystem noch nicht so entwickelt ist wie das erwachsener Hunde. Interferone wirken nicht speziell gegen bestimmte Viren, sondern gehören vielmehr zur natürlichen, unspezifischen Abwehr. Interferone helfen, jegliche Viruserkrankung zu verhindern und zu überwinden, indem sie die Virusvermehrung blockieren.


Unser Hund: Können Sie die Parvovirose noch genauer erklären - und wie erkennt ein Hundehalter die Symptome dieser Krankheit?

Dr. Schultheiss: Diese schwere Viruserkrankung ist unter Hunden hochgradig ansteckend. Der auslösende Erreger, das Canine Parvorvirus (CPV) , befällt vornehmlich die Darmzellen des Hundes, so dass dieser keine Nahrung und keine Flüssigkeit mehr aufnehmen kann. Gleichzeitig kommt es zu einem Übertritt von Darmbakterien in die Blutbahn. Zwei bis fünf Tage nach der Ansteckung kommt es in der Regel zu den typischen Symptomen einer Infektionskrankheit wie Fieber und Appetitlosigkeit und der damit verbundenen Mattigkeit. Sehr typisch für die Parvovirose ist der blutige, übel riechende und unstillbare Durchfall, der oft auch ohne andere Symptome auftritt. Dann geht es um jede Minute, denn sofortige Hilfe und die richtige Behandlung entscheiden über Leben und Tod des Hundes.


Unser Hund: Wie häufig und wie schwer tritt die Parvovirose bei Hunden auf?

Dr. Schultheiss: Die Parvovirose tritt aktuell eher in Einzelfällen auf. Allerdings ist der Krankheitsverlauf bei Welpen meist tödlich, während ältere Tiere aufgrund ihrer besseren Immunabwehr größere Chancen haben diese schwere Krankheit zu überleben.


Unser Hund: Was bewirkt eine Interferon-Behandlung im Fall der Parvovirose?

Dr. Schultheiss: Interferon ist ein Wirkstoff, der vom Immunsystem des Hundes selbst hergestellt wird. Bei einer aggressiv verlaufenden Virusinfektion reicht das vom Organismus produzierte Interferon nicht aus oder kommt zu spät. Dies ist der Grund, warum wir dem Körper helfen müssen, den Erreger schnell zu bekämpfen. Interferon bewirkt eine direkte Hemmung der Vermehrung von Viren im Körper. Nach der Injektion wirkt Interferon sehr schnell. Die Heilung erfolgt somit ebenso durch die Stärkung des körpereigenen Immunsystems.


Unser Hund: Wie lange dauert eine Inteferon-Behandlung im Falle der Parvovirose?

Dr. Schultheiss: Sie dauert bei frühzeitiger Diagnose meist drei Tage. Dabei bekommt der Patient täglich jeweils eine Injektion Interferon. Daneben gibt es die Intensiv-Therapie, deren Länge je nach Krankheitsverlauf unterschiedlich ist. Eine Verbesserung des Zustandes ist oft nach den ersten Tagen sichtbar. In der Regel ist der Vierbeiner nach zwei Wochen wieder fit.

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